Die Geschichte der süddeutschen Schäferei

Nur in wenigen Landschaften haben sich heute noch, von ihrem Ursprung her „echte“ Zunftfeste mit ihrem hergebrachten Brauchtum erhalten; auch dies freilich insofern, als der Festcharakter, der ursprünglich nur Beiwerk und Ausklang der jährlichen Zunftversammlung war, nun zum Selbstzweck geworden ist, wie beispielsweise bei den Schäferfesten.

Die Feste der Schäfer waren eigentlich Zunftfeste, die aus den jährlichen Zunfttagen und Versammlungen hervorgegangen sind. Da die ehemaligen Schäferzünfte und Bruderschaften auch nach Aufhebung der Zünfte Im 19. Jahrhundert eine Brauchtumskontinuität bewahrt haben wie kein anderer Berufsstand, lässt sich an ihrem Beispiel am deutlichsten das Wesen der Zunftfeste darstellen.

Die Schäfer waren seit dem 15. Jahrhundert – mancherorts mit den Metzgern zusammen – in Zünften organisiert. In vielen Süddeutschen Städten wie z.B. Markgröningen, Heidenheim, Urach, Wildberg, Rothenburg, unser Bretten, aber auch in Thüringen, Hessen (Hungen) und am Oberrhein bestanden diese Zünfte, mit Privilegien und rechtlichen Befugnissen versehen, gleichberechtigt neben den Handwerkszünften. Im süddeutschen Raum wurden sie von Anfang an durch die Feudalherren, die in der Schäferei einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor sahen, mit großem Verständnis unterstützt. In Norddeutschland dagegen treffen wir sogar auf Verbote wie dieses aus Kurbrandenburg Im Jahr 1620:

„Ferner verbieten wir auch allen Hirten und Schäfern den Gebrauch der Gewehre, als Büchsen, Degen, türkische Säbel und Spitzbarden… wie auch… alle Verbündnis… und Innungen, deren sie sich an eines Theils Orten ganz frevelhafter, boshafter und strafbarer Weise unterwunden“,

Von ihrer Beziehung zur Viehzucht, die sie zwang, sich ähnlich den Abdeckern und Schindern des gefallenen Viehs anzunehmen, rührt es her, dass die Schäfer lange Zeit zu den sogenannten „unehrlichen Leuten“ gezählt wurden, zu denen man auch die Scharfrichter, Totengräber, Spielleute, Zöllner und Müller rechnete. Ein Gedicht aus der Zeit lautet dazu:

„Metzger, Schäfer und Schinder sind lauter G´schwisterkinder.“

So gab es trotz der äußerlichen Gleichstellung oft Schwierigkeiten, wenn ein Schäfersohn in eine Handwerkerzunft eintreten wollte. Im Glauben des Volkes war jeder, der mit einem gefallenen Tier zu tun hatte, als unrein und damit ehrlos verschrien. Ein, in eine Scherzfrage gekleidetes, Sprichwort aus dieser Zeit sagt zur Vervollständigung:

„Ein Rettich und ein Rueb, ein Müller und ein Dieb, ein Schäfer und ein Schinder, welches ist mehr oder minder?“

Auf der anderen Seite waren die naturverbundenen Schäfer aber sehr geschätzt wegen ihrer Kenntnis heilender Pflanzen, und sie wurden oft weither um Hilfe gegen Krankheiten bei Mensch und Tier ersucht. Da man ihnen auch die Beherrschung magischer Beschwörungsformeln, der sogenannten „weißen Magie“ nachsagte, betrachtete sie das einfache Volk mit einem mit Furcht gemischten Respekt.

Das ungebundene Leben und die relativ große Freiheit, die der Schäfer genoss, unterschieden ihn vom Bauern und Bürger, wobei zu der schlechten Beurteilung zweifellos der Verdacht beitrug, dass der Schäfer ab und zu ein Tier auf eigene Rechnung verkaufte, was ihm, ähnlich wie dem Müller, der eben so wenig zu kontrollieren war, nicht gerade den Ruf besonderer Ehrlichkeit eintrug. Dieser alte Sagenstoff mit der Thematik des Treueverhältnisses zum Dienstherrn hat zum Beispiel das Markgröninger Schauspiel „Vom Treuen Bartel“ zum Inhalt.

Einmal im Jahr trafen sich die Schäfer in einem größeren Ort, um hier ihre Zunftgeschäfte zu erledigen, Gesellen- und Meisterprüfungen abzuhalten, Händel zu schlichten und ihre Abgaben zu zahlen. Für den süddeutschen Raum bot sich die Stadt Markgröningen an, die in der Stauferzeit Trägerin der Reichsturmfahne war. Hier wurde auch die Zunftlade mit dem Zunftbrief sowie die Schäferfahne aufbewahrt. Diesen Versammlungstag, an dem vormittags die amtlichen Geschäfte erledigt wurden, krönte man mit einem sportlich-spielerischen Wettkampf, dem Schäferlauf, an den sich Im Laufe der Zeit noch andere Geschicklichkeitsproben und volkstümliche Spiele anschlossen; beendet wurde der Tag mit Lustbarkeit und Tanz. In Markgröningen hatten die Schäfer dabei von alters her das Recht, sich bei dem öffentlichen Tanz im Oberamteihof „jede der Zuschauerinnen ungeachtet ihres Standes zu holen“, wie es aus einer Beschreibung um 1780 hervorgeht.

Neben Markgröningen hatten in späterer Zeit Wildberg und Urach, sowie die Städte Heidenheim, Rothenburg und Bretten ihren Schäferlauf. Während in den drei erstgenannten das Schäferfest Krieg und Notzeiten überdauerte bzw. nach dem Krieg wiederauflebte, erhielten sich in Rothenburg und Bretten nur Reliktformen des Schäferbrauchtums, die Rahmen einer Brauchtumsvorführung dargeboten werden.

Rothenburg, das schon 1393 einen Schäfertag veranstaltet haben soll und ihn 1776 zum letzten Mal abhielt, führt seit 1911 im Rahmen einer folkloristischen Darbietung einen Schäfertanz vor, zu dem die „Rothenburger Schäfertanzgruppe“ in Trachten aus dem Biedermeier gekleidet ist. Hier ist die ursprünglich lokale Brauchtumskontinuität abgebrochen und unter kommerziellen Gesichtspunkten neu aufgenommen worden.

In Bretten fand der „Schäfersprung“ früher am Tage St. Laurentius (10. August) statt. Die heutige Schäfergruppe ist nun bereits seit mehreren Jahren bemüht, das geschichtliche Zunft und Lagerleben der damaligen Schäferei aufleben zu lassen. Dies geschieht im Speziellen am Peter und Paul Fest. Das jährliche Schäfertreffen mit dem Schäfersprung gilt hierbei als eine der drei Säulen des berühmten Festes.

Das Schafehüten von damals bis heute

Solange sich in Europa das ackerbaulich genutzte Land der Dörfer noch nicht im Privatbesitz der Bauern befand und neben dem jährlich wechselnden Brachland auch noch großflächige Hutungen bestanden, wurden die Schafherden in der Vegetationszeit auf diesen Flächen ernährt.

Die Schafhirten sammelten jeden Morgen mit Gebrüll oder Hornsignalen ihre Schützlinge auf dem Gutshof oder im Dorf die sie, hinter der Herde gehend, mit den Hirtenhunden über breite Graslandstreifen, die sogenannten Triften, auf die weitläufigen Hutflächen trieben. Nachts kamen die Herden zum Schutz gegen zwei- und vierbeinige Räuber in Gebieten mit nicht zu großen Entfernungen zu den Weidegründen in Pferche am Rande der Siedlungen oder in die Ställe der Besitzer.

Mit nachlassendem Gemeinschaftssinn und Ausbreitung der Koppelzäune, bei gleichzeitig propagiertem Umbruch des Grünlandes, verschwanden diese uralten Haltungsformen, die Hirten und die dazugehörigen Hirtenhunde aus den meisten Dörfern. Nur in den Hochgebirgen Europas blieb die sommerliche Almwirtschaft in reduzierter und abgewandelter Form für Schafe erhalten. Die zuvor genannten Haustierpferche, wie sie, mit zunehmender Sicherheit, dann für Schafe als Nachtstall auf den zu düngenden, oft ortsfernen und schwer erreichbaren Feldern Eingang fanden, bewachten die am Schlafkarren des Hirten angeketteten Hunde.

Bei unseren heutigen Wanderschäfern hat der Wohnwagen den Schlafkarren und das Perlonnetz den Holzpferch abgelöst. Dem Schäfer wurde das Essen gebracht, oder er ging zu den Mahlzeiten frühmorgens und abends ins Dorf und trieb die Herde erst zur Winteraufstallung wieder zurück. Daneben bestand schon immer der Herdenzug von den Winterweiden in Flusstälern und wärmeren Ebenen zu den Sommerweiden im Gebirge. Einige Wanderschäfer Süddeutschlands haben sich trotz zunehmender Erschwernisse noch nicht davon abbringen lassen.

Durch erhebliche Zunahme der Bevölkerung musste der Ackerbau vom 18. Jahrhundert an intensiviert werden. Zugleich wurde durch die Bauernbefreiung die Zahl der Privatbesitzer vermehrt und das Erbrecht bewirkte durch Realteilung eine Verkleinerung der Felder. Je mehr das Brachland und Teile der Hutungen mit den neu aufkommenden Nahrungs- und Futterpflanzen genutzt wurden, desto häufiger mussten die Schäfer ihre Herden auf Feldwegen und schmaler werdenden, abgeernteten oder mit Schaffutter eingesäten Feldern hüten.

Mit Zunahme des engen Gehüts und der Verkehrswege in weiten Teilen Europas begann für die Schäfer die Notwendigkeit zur Selektion von wendigen, intelligenten Hütehunden. Hiervon berichtete bereits Buffon 1772. Da die breiten Vorgewende der Äcker entlang der Feldwege, die eine Zelt lang als Ersatz für bisherige Triften zum Trieb der Herden nutzbar waren, immer mehr zur Ausweitung des Hauptfruchtanbaues herangezogen wurden, mussten die Schafherden auf den schmalen grasbewachsenen Feldwegen in die Länge gezogen werden. Dies war leichter zu erreichen, wenn der Schäfer an der Spitze der Herde ging. Seine Hütehunde sorgten dahinter zu beiden Seiten des Weges dafür, dass die angebauten Feldfrüchte ungeschoren blieben, und an Wegbiegungen oder Kreuzungen bzw. beim Einschwenken auf Felder oder an Brücken nur die Fahrspurbreite begangen wurde und kein Schaf zurückblieb. Eine Herdenlänge von oft mehr als 100 Metern fordert vom Hütehund eine ganze Portion Selbständigkeit und gute Nerven. Bei windigem Wetter ist eine Verständigung mit dem agierenden Hund dann nur noch über Sichtzeichen möglich und verlangt von ihm vermehrte Aufmerksamkeit in zwei Richtungen.

Schäfersprüche und Redewendungen

So manch einer mag sich schon einmal mit verschiedenen Sprüchen auseinandergesetzt haben, die in Verbindung zu einer ganz bestimmten Sache stehen und für ihn ungeklärt blieben; so auch im Schäferleben, daher ein paar Erklärungen:

"Das schwarze Schaf sein";

der von einem bestimmten Personenkreis wegen seiner extravaganten oder gar unsittlichen Haltung abstechende Mensch.

Vom 1. Mose 30,32: „Ich will heute durch alle deine Herden gehen und aussondern… alle schwarzen Schafe.“

"Sündenbock sein";

für einen anderen unschuldig leiden oder bestraft werden; die Schuld eines anderen auf sich nehmen; der Prügelknabe sein.

Das Bild ist dem Alten Testament entlehnt. In biblischer Zeit entsühnte am Versöhnungstage (hebräisch Jom Kippur) der Hohepriester das Heiligtum, das Volk und sich selbst. Dabei wurden ihm zwei Böcke übergeben, von denen der eine als Schlachtopfer für den Herrn bestimmt war, während dem anderen die Sünden auferlegt wurden (Sündenbock).

"Einen auf die Schippe nehmen";

auf den Arm nehmen; ihn veralbern, foppen, sich über ihn lustig machen.

Man behandelt den Verulkten wie ein Häuflein Sand, das mit der Schippe aufgehoben und verstreut wird.

"Sein Schäfchen ins Trockene bringen";

sich einen Vorteil wahren; seinen Gewinn in der Tasche haben.

Regen schadet den Schafen überhaupt nicht, denn ihr Vlies ist fettig und wasserabweisend. Jedoch verursachte der in sumpfigen Gegenden vorkommende Leberegel mit der sogenannten Egelseuche häufig ein Massensterben unter dem Vieh, namentlich bei Schafen. Die Infektionsgefahr konnte fast ausgeschlossen werden, indem man die Schafe nicht mehr an sumpfigen Stellen oder am Wasser weiden ließ, sie also „ins Trockene brachte“. Das Verständnis für den Ursprung der Redensart wurde mit der Einführung der Baumwolle verschüttet, als die Schafhaltung zum großen Teil zum Erliegen kam und als die moderne Veterinärmedizin Mittel gegen die Egelseuche fand.

...und ganz zum Schluss noch ein paar der vielen Schäferweisheiten:

Schäfersleut‘ hat Gott erschaffen,
Schäfersleut‘ hat Gott gemacht,
Und wer Schäfersleut‘ veracht,
den holt der Teufel bei der Nacht!

Sei der April auch noch so gut, er schickt dem Schäfer Schnee auf den Hut.

Man muss das Schäflein scheren, wenn es Wolle hat.

Es ist ein dummes Schaf, das dem Wolf beichtet.

Wenn der Hirte den Weg verfehlt, dann kommen die Schafe nicht ans Ziel.

Regenbogen am Morgen macht dem Schäfer Sorgen.

Schäferei, Schäfermarkt und Schäferlauf in Bretten

Die Stadt Bretten als Schäferort

Die Stadt Bretten war dem Heidelberger Hof gegenüber verpflichtet, ständig 750 Schafe zu halten Diese Anzahl an Schafen durfte auch aufgrund von Seuchen, Krieg und anderen Umständen für längere Zeit nicht unterschritten werden. Die Stadt hatte die Kosten für die Schäfer zu tragen und für Mensch und -tier Unterkunft innerhalb der Stadtmauern bereitzustellen. Die Schafhaltung sollte in erster Linie dazu dienen, die Güter des herrschaftlichen Bauernhofes durch das sogenannte Pferchen zu düngen. Die Abfolge der Pferche war genau geregelt. Die Schafe lieferten die Wolle für die Brettener Weber. Schaffleisch machte über 50 % des Fleischkonsumes aus.

Der Brettener Schäfermarkt und Schäferlauf am Laurentiustag

besondere Beachtung hat im Brettener Schrifttum stets der am Laurentiustag abgehaltene Schäfermarkt in Verbindung mit dem sogenannten Schäferlauf oder Schäfersprung gefunden. Die Belege darüber reichen bis in das Jahr 1634 zurück. Ohne Zweifel handelt es sich aber um einen Brauch, der seine Wurzeln im Spätmittelalter hat. Einige Brettener Chronisten vertraten die Auffassung, der Schäferlauf sei „mindestens so alt als die Stadt Bretten selbst“.

Über die Mitte des 14. Jahrhunderts, also über die kurpfälzische Zeit, dürfte diese Einrichtung jedoch schwerlich zurückgehen. Sie dürfte wohl mit der Ausgestaltung der Herrenschäfereirechte durch die Territorialstaaten im Spätmittelalter zusammenhängen.

Ein entsprechender Schäfertag ist in der Grafschaft Württemberg seit dem Jahre 1443 in Markgröningen belegt. Dort tagte das Schäfergericht unter dem Vorsitz des württembergischen Vogtes, wobei der Stadtschäfer und vier Obermeister der Zunft mit vier herrschaftlichen Beamten über personelle Fragen und Weidestreitigkeiten berieten, Prüfungen abnahmen und „Leggelder“ als eine Art Gewerbesteuer einzogen. Die dortige Schäferzunft war bereits eine Berufsorganisation, die alle Bereiche des wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen und persönlichen Lebens umfasste und dadurch die Geschlossenheit des Standes zum Ausdruck brachte. Über die Organisation des Brettener Schäfertages erfahren wir erst aus Baden-Durlachischen Akten des 18. Jahrhunderts nähere Einzelheiten.

Im Jahre 1708 forderte der Brettener Oberamtsschultheiß die Vorstände der angrenzenden Ämter des Hochstifts Speyer, der Markgrafschaft Baden und des Herzogtums Württemberg auf, dem uralten Brauch entsprechend wieder die Schäfer ihrer Bezirke zum nächsten Laurentiustage nach Bretten zu entsenden In den Nachbarterritorien wurde diese Einladung jedoch keineswegs freundlich aufgenommen. Sondern als Eingriff in die eigene Jurisdiktion empfunden.

Baden konnte wegen der 1689 erlittenen Archivalienverluste keine älteren Unterlagen, die Aufschluss über den Brettener Schäfermarkt geben konnten, ausfindig machen. Nachforschungen im Baden-Durlachischen Archiv zu Basel ergaben lediglich, dass bereits 1669 der Bischof von Speyer beim Markgrafen über die Beschaffenheit des Brettener Schäfermarktes Erkundigungen eingezogen hatte.

Baden habe damals seinen Schäfern unter Strafe verboten, nach Bretten zu kommen. Nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges erneuerte das Amt Bretten 1714 seine Bemühungen um Wiederbelebung des Schäfermarktes. Der Markgraf ließ darauf in den Ämtern Durlach, Pforzheim, Stein, Staffort und Graben Erkundigungen über den Charakter des Brettener Schäfermarktes anstellen.

Die Aussagen betagter Schäfer ergaben folgendes:

Vor 1689 seien die Schäfer mit ihren Knechten aus der ganzen „Gegend“, und zwar aus der Pfalz, dem rechtsrheinischen Teil des Hochstifts Speyer, den angrenzenden württembergischen und Baden-Durlachischen Ämtern alljährlich auf Montag nach Laurentius in Bretten zum Schäfermarkt, Schäfer- oder Brudertag zusammengekommen. Sie seien mit fliegenden Fahnen und Spiel aufgezogen, in die Kirche gegangen und hätten einer Predigt beigewohnt. Sie besaßen ein besonderes Versammlungslokal, das Wirtshaus „Zum Kreuz“ („Zum goldenen / gelben Kreuz“) und verwendeten dort ein besonderes Trinkgeschirr in Form eines silbernen Lammes. Kurz nach Beginn des 30jährigen Krieges, im Jahre 1619, ist erstmals von dieser Gastherberge die Rede, die bald eine große Bedeutung erlangt hat. Erster uns bekannter Kreuzwirt war Michael Schweickhardt. Der Gasthof befand sich an der Stelle des heutigen Anwesens Marktplatz Nr. 11.

Wie die Handwerker ihre Zunftordnung, so hatten auch sie eine besondere Satzung, die alljährlich verlesen wurde. Es ist daraus aber so viel zu ersehen, dass jedes der vier beteiligten Territorien je zwei „verordnete“ Zunftmeister, Obermeister oder Fähnriche stellte. Diese sollten von den Schäfern mit ihren Herden begangenen Fehler und Übertretungen rügen und auf einem Verhörtag am Sonntag nach Bartholomäi in Bretten aburteilen. An diesem Tag konnten alle Schäfer und ihre Knechte ihre Klagen vorbringen. Die Strafen kleinere Übertretungen betrugen 1—2 Gulden, davon fiel die Hälfte an die „Obrigkeit“, d. h. an das Amt, die andere Hälfte an die Zunftmeister.

Auf den Schäfertagen haben nach Auskunft des badischen Amtmanns zu Stein die Schäfermeister sich mit neuen Schäferknechten und Gesinde versehen. Neben dem rechtlichen und geselligen Hintergrund hatten die Zusammenkünfte also durchaus auch ihre handfeste wirtschaftliche Grundlage.

Auf die Frage, warum gerade Bretten als Ort der Schäfertage bestimmt worden war, gab der Keller in Weingarten 1716 die folgende Auskunft: es rühre daher, dass Kurpfalz der vornehmste Stand sei und Bretten innerhalb der vier Herrschaften in der Mitte und somit am günstigsten sei. Jedenfalls verband die Pfalz damit keine besonderen Ansprüche, im Gegenteil, sie spielte die Rolle Brettens mit dem Hinweis herunter, dass damit den Rechten der Nachbarterritorien in keiner Weise Abbruch geschehen solle.

Von Interesse ist die Herkunft der Zunftmeister: die beiden pfälzischen stammten aus Bretten, die württembergischen aus Derdingen und Maulbronn, die badischen aus Pforzheim, die bischöflich-speyerischen aus Philippsburg und Bruchsal. Dadurch wird in etwa der Einzugsbereich der Schäfer, die in Bretten zusammenkamen, umschrieben. Möglicherweise ist damit nicht nur der Herkunftsort, sondern das Amt bezeichnet, aus dem die Meister oder Fähnriche stammten. Die letztere Bezeichnung rührt wohl daher, dass die Abordnungen der einzelnen Territorien jeweils ihre eigene Fahne hatten und die Obermeister diese vorantrugen. Wenn einer der Obermeister starb oder wegzog, so sollte einer aus den übrigen Meistern des gleichen Territoriums bzw. Ortes an seine Stelle „gezogen und genommen“. d. h. gewählt werden.

Die in Markgröningen hinterlegte Kopie stammte aus dem Jahre 1634. Sie war auf Bitten der Obermeister von dem Brettener Oberamtsschultheißen Oswald Schmend besiegelt worden. 1634 wurden von den Obermeistern einige neue Bestimmungen erlassen, die vor allem die Disziplin auf den Schäfertagen betrafen. Damals war es vorgekommen, dass eine Anzahl von Meistern und Schafknechten sich am Schäfertag in Dorfwirtshäusern außerhalb Brettens aufhielten und in gefährliche „Schlaghändel“ verwickelt wurden. Diejenigen Meister oder Knechte, die sich am Schäferlauf beteiligen wollten, sollten mit den Fahnen hinausgehen und bis zum Ende des Wettbewerbs dabeibleiben.

Es kamen zu den Schäfertagen nach Aussage von Teilnehmern vor 1689 alljährlich über hundert Schäfer und Knechte in Bretten zusammen. Dabei ging es natürlich hoch her. Es ist die Rede davon, dass Meister und Knechte „toll und voll“ die Obermeister bei ihrer Mahlzeit belästigen.

Die Schäfertage fanden bis 1848 statt. Offensichtlich wurden sie nach der Niederschlagung der Revolution in Baden 1849 wie alle Vereine zunächst verboten. Im Zuge des Rückganges der Schäfereien lebten sie danach, als das Vereinsverbot gelockert wurde, nicht wieder auf.

Den eigentlichen Schäferlauf schildert Gehres 1805 aus eigener Anschauung folgender maßen: Bevor das gewöhnliche Wettrennen beginnt, versammeln sich die Schäfer mit klingendem Spiele und Schalmeienklang auf der Zunftstube zu Bretten, rüsten sich des Vormittags zum gottesdienstlichen Besuche; zu dem End wallen sie von da aus, in Masse vereinigt, mit aufgepflanzten Hirtenstäben auf der Schulter, von ihres Festes Vorgefühl begeistert, in förmlicher Prozession der Kirche zu.

Ist dieser Gottesdienst vorüber, dann wandern diese Schäfer von jener heiligen Stätte, gleichfalls unter Begleitung der Musik, geradewegs auf ihre bestimmte Herberge zurück: pflegen sich dort gütlich, bis gegen Abend hin; worauf erst mit den sog. Meistersöhnen und -töchtern dieser Schäfer auf folgende Art das herkömmliche Wettrennen beginnt. Ungefähr eine halbe Stunde außerhalb der Stadt ist diesen jungen Leuten, sobald sie samt und sonders auf dem hierzu bestimmten Platz im freien Felde versammelt sind, ein gewisses Ziel in einer beträchtlichen Ferne zum Wettrennen angesteckt. Nach diesem eilen zuerst paarweise die ledigen Meisterssöhne; der nun von ihnen am ersten jenes Ziel erreicht, trägt hierauf das zum Preis dafür ausgesetzte, mit buntfarbigen Bändern geschmückte Lamm davon; die alsdann gleichfalls paarweise in leichtem Gewand wetteifernden ledigen Meisterstöchter erhalten hingegen auf gleiche Art die für Sie bestimmten seidenen Halstücher.

Ist nun dieses wechselseitige Wettrennen vorüber, so kehren diese jungen Leute von gedachtem Rennplatze wieder in ihre Zunftherberge zurück; überlassen sich dort den Belustigungen des Saitenspiels und dem Tanze nach ihrer eigenen Art; und endigen damit zugleich die jährliche Geschichte des sog. Schäfermarktes in Bretten“.

Den Wettlauf der Meisterstöchter kennen die Berichte aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts noch nicht. Sie sprechen von einem mit Kränzen gezierten Hammel (nicht von einem Lamm!), der dem besten Läufer für sich „und seine Tänzerin; so auch eines Schäfers Tochter seyn müsse“, zufalle.